Steffen Mark Schwarz

improvisation

Grundsätzlich kennt die Musik drei Quellen Tonmaterial auszuführen:  die Komposition, die mündliche Überlieferung und die Improvisation. Zu Improvisieren lebt von dem Erfinden musikalischer Zusammenhänge unterschiedlicher Stilrichtungen aus dem Stegreif. Hierbei kommt der Spieler ohne Notentext aus, er arbeitet allenfalls mit Skizzen. Die Improvisation findet ihren wohl populärsten und am weitesten verbreiteten Platz im Jazz. Daneben hat sie auch innerhalb der Kirchenmusik eine ursprüngliche, lange und bis heute andauernde Tradition und Kultur.

orgel

Die Orgel (griech.: organon | lat.: organum – Werkzeug/Instrument) ist mit ihren Klang- und spielerischen Darstellungsmöglichkeiten geradezu prädestiniert dazu improvisatorisch zu agieren. Das Aufeinandertreffen eines Raum-Klang-Spektrums, wie es viele Kirchenräume bietet, lässt eine Begegnung zu zwischen freiwerdender Kreativität und den spirituellen Bedürfnissen der Menschen, die über das Wort [griech.: logos/lat.:verbum] hinaus wirken

orgelimpro

Bei einem komponierten Stück im klassischen Verständnis gehen wir als Musiker mit formbildenden Spielregeln wie Thematik, Periodik, motivische Entwicklung, Modulation oder dem Kontrapunkt um. Innerhalb einer Improvisation ist es genauso unumgänglich Strukturen entstehen zu lassen, die sonst auskomponierte formbildende Regeln suggestiv ersetzen. 
Neben solistischen Melodieinstrumenten bieten solistische Tasteninstrumente die vollständige Art des Umgangs mit improvisatorischem Material im mehrstimmigen Satz. Besonders im Bereich der Orgelmusik gibt es eine deutliche improvisatorische Entwicklung mit praktischem Bezug im liturgischen Orgelspiel.

orgelplus

Seit den späten 1970er Jahren fand eine Öffnung, u. a. durch den Organisten Hans-Günther Wauer (*1925), hin zum improvisatorischen Zusammenspiel mit andern Musikern statt: OrgelPLUS. Hierbei ist jeher die Entdeckung neuer Klangformen das Ziel. Daran beteiligt sind vor allem Melodieinstrumente auch aus dem Bereich Jazz und Rock.

interaktion

Interpreten werden in zeitgenössischer Musik in beigefügten Anweisungen des Komponisten auch ausdrücklich zur Improvisation ermuntert. Bernd Alois Zimmermann stellt in TEMPUS LOQUENDI für Flöte aus dem Jahr 1963 drei untereinander gedruckte Teile zur Auswahl, und ermutigt die Musiker darin »aus dem in den Stücken vorgegebenen Material eigene Versionen zu improvisieren.«
Bengt Hambraeus‘ Werk NEBULOSA für Orgel ist ein Beispiel aus der Literatur für Orgel. Das als Rondo strukturierte Stück besteht aus auskomponierten Teilen die sowohl unterschiedlich zusammengestellt als auch improvisatorisch ergänzt werden sollen. 
Innerhalb eines konzertanten Rahmens bildet die Improvisation eine besondere und individuelle Struktur der Dramaturgie eines Programms. Ein interaktiver Prozess kommt in Gang: das rezipierende Publikum ist gleichermaßen am Schaffensprozess beteiligt, wie auch am gleichzeitigen fungieren als Zuhörerinnen und Zuhörer. 
Dem improvisatorischen Werk kann ein Thema zugrunde liegen oder es kann ganz frei entstehen und schlicht atmosphärisch wirken.